Bericht von der Herbstkonferenz OKG 2017

„Wir brauchen eine Bewegung der Störenfriede!“

Erste OKG-Konferenz in Kassel am 28./29. Oktober. 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutieren über Erfahrungen aus betrieblichen Kämpfen und Strategien für die Zukunft.

 

„Von den Besten lernen, von euch lernen“, so eröffnete Violetta Bock die erste Tagung von ‚Organisieren – Kämpfen – Gewinnen‘ (OKG), die am 28. Und 29. Oktober in Kassel stattfand. Rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus so unterschiedlichen Branchen wie der Pflege, dem Maschinenbau, der Stahlindustrie oder dem Versandhandel, hatten sich zusammengefunden, um genau das zu tun: Aus den Organisierungserfahrungen anderer zu lernen, gemeinsam über wirksame Mittel zu diskutieren, sich im Betrieb durchzusetzen, sich zu vernetzen und so für die kommenden Auseinandersetzungen stärker zu werden. „Von den Arbeitgebern werden Leute wie ihr oft Störenfriede genannt. Wir finden: Tragt den Namen mit Stolz. Wir brauchen eine Bewegung von Störenfrieden!“, so die Botschaft von Michael Heldt vom OKG Team.

Unsere Bewegung steht heute vor enormen Herausforderungen. Wir sehen uns zunehmend systematischen Angriffen der Arbeitgeber gegenüber. Unsere Gewerkschaften sind in der Defensive, ältere erfahrene Generationen kämpferischer Kolleginnen und Kollegen verlassen die Betriebe. Angesichts dessen wollen wir als OKG dazu beitragen alte und neue Störenfriede zu unterstützen, Räume zu schaffen, in denen von- und miteinander gelernt werden kann. So wollen wir dazu beitragen, dass ein Netzwerk der Solidarität und ein Meer der Unruhe entstehen.

Unsere Konferenz hat einen kleinen Beitrag dazu geleistet. Im Mittelpunkt standen die Erfahrungen, die Kolleginnen und Kollegen in ihren betrieblichen Auseinandersetzungen gesammelt haben. Welche Lehren ließen sich daraus ziehen? Was könnte für die Arbeit im eigenen Betrieb mitgenommen werden? Wie könnten wir Angriffen wirkungsvoller begegnen? Als OKG-Team haben wir das Wochenende mit großer Spannung erwartet. Mit zwei Wochen Abstand, Rückmeldungen von Teilnehmern und gemeinsamer Auswertung kommen wir zu dem Ergebnis: Uns ist eine einzigartige Konferenz gelungen, die ein Auftakt für weitere Projekte ist. Für alle, die nicht dabei waren, wollen wir daher zumindest ein paar Eindrücke festhalten.

Das Auftaktpodium zum Thema Union Busting am Samstag Morgen bestritten Betriebsräte aus drei Betrieben. Sie berichteten über die Angriffe der Arbeitgeber, ihre Gegenwehr, aber auch über ihre Lehren daraus, um sich in Zukunft wirkungsvoller zu wehren. Debattiert wurde über den Stellenwert von betrieblichen Aktivenkreisen, einer guten Rechtshilfe, von Öffentlichkeitsarbeit und der möglichen Rolle von Unterstützungs- und Solidaritätskomitees. Memet Özcan (Bauhaus Witten) zeigte gar, wie es ihnen gelang aus der Verteidigung gegen Union Busting-Methoden in die Offensive zu kommen. So berichtete er, wie die gewerkschaftlich organisierten Betriebsräte einer engagierten Kollegin, die gekündigt wurde, den Rücken stärkten und darüber eine großen Teil der KollegInnen für die Gewerkschaftsmitgliedschaft warben. Jene Kollegin wurde zu einer ganztätigen Sitzung des Betriebsrates geladen, statt gekündigt zu Hause zu sitzen. Mit ihr ging man durch die Verkaufsbereiche. Es wurden Anstecker mit einem Herz und ihrem Namen verteilt. Nicht nur Mitarbeiter, sondern Kunden fragten sich „Alle lieben Barbara! Wer ist eigentlich Barbara!?“.

Auch in anderen Workshops am Samstag konnte aus konkreten betrieblichen Auseinandersetzungen, etwa im Rahmen von Tarifkampagnen, gelernt werden. Beispielsweise diskutierten Beschäftigte des Botanischen Gartens in Berlin mit rund 25 KollegInnen über die Organisation ihrer erfolgreichen Tarifauseinandersetzung. Mit einem 20monatigen (!) Arbeitskampf zwangen sie die Freie Universität Berlin schließlich, ihre 100 prozentige Tochter wieder einzugliedern; und setzten so ein dickes Ausrufezeichen im Kampf gegen die Tarifflucht im öffentlichen Dienst. Ihre Lehren: Es braucht eine gemeinsame Strategieplanung durch betriebliche Aktive und eine offensive Öffentlichkeitsarbeit. Wer sich davon inspirieren lassen möchte, sollte einen Blick auf die Homepage der Aktiven werfen (http://www.verdi-botanischer-garten.de/wordpress/category/allgemein/) und das Buch „Der Aufstand der Töchter: Gemeinsam staatlich organisierte prekäre Beschäftigung überwinden“ anschauen.

Um ähnliche Fragen ging es auch im zeitgleichen Workshop mit zwei Aktiven aus der UMG-Gastronomie der Universitätsklinik Göttingen. Konkret: Wie lassen sich auch passivere KollegInnen mitnehmen? Wie gelingt es, auch in anstrengenden und langen Tarifauseinandersetzungen Ausdauer zu bewahren? Im dritten Workshop zu dieser Zeit kamen Erfahrungen rund um das Thema Betriebsratsarbeit aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammen. So ging es in dem extrem prekären, und dezentralen Bereich der persönlichen Assistenz eher um den Aufbau von Betriebsrats- und Gewerkschaftsstrukturen durch Patensysteme. Während auf der anderen Seite ein Kollege aus einer eher klassischen IG Metall Hochburg, einem hoch organisierten Stahlbetrieb, davon erzählte, wie es ihnen gelang eingefahrene Routinen der Stellvertreterpolitik zu überwinden und die gewerkschaftliche Arbeit im Betrieb wieder mit Leben zu füllen.

Später am Tag gaben zwei zeitgleiche Organizingworkshops erste Einblicke in das von OKG übersetzte Buch „Geheimnisse einer erfolgreichen Organizerin“. Es wird Mitte Dezember im Schmetterling Verlag erscheinen und ist ein systematischer Leitfaden für den Aufbau von aktiven Gewerkschaftsgruppen, die nicht nur während der Tarifrunde, sondern täglich im Betrieb spürbar sein wollen. Es kann beim Verlag oder direkt bei OKG via Mail an info(at)okg-mail.de bestellt werden.

Zudem gab es, eher theoretisch, ein Abendpodium mit tie (transnational information exchange) und express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, zum Thema „Gewerkschaft als soziale Bewegung“ sowie, ganz konkret, Branchenworkshops zur direkten Vernetzung und gemeinsamen Absprachen.

Wie wichtig auch unabhängig agierende Betriebsgruppen sind, zeigte das Abschlusspodium, das am Sonntagmittag stattfand. Beschäftigte aus der Berliner Charité und von Amazon Bad Hersfeld zeigten, wie der systematische und basisorientierte Aufbau nicht nur die Durchsetzungskraft im Betrieb stärkten, sondern auch zu einer offensiven Ausrichtung der Gewerkschaftsarbeit beitragen kann.

Durch die Konferenz haben wir viele neue Impulse gewonnen, neue Ideen sind entstanden, neue Kontakte konnten geknüpft werden. Oder um es mit den Worten unserer TeilnehmerInnen zu sagen:

„Sehr gehaltvoll, kurzweilig, zeigt viele Möglichkeiten für mich, weil ich kann mich ja selbst nicht mit allem beschäftigen. Das geht nur über den Austausch“ (Memet, Bauhaus Witten)

„Der Vorteil hier ist, dass es auch mal an die kleine praktische Arbeit geht. Ohne die Gewerkschaften geht’s nicht, aber die können nur unterstützen, machen müssen wir es selber und hier wird endlich mal darüber geredet, wie wir’s, als Beschäftigte, zusammen machen“ (Roland, Botanischer Garten Berlin)

Die nächste OKG-Konferenzen wird erst wieder in zwei Jahre stattfinden. Diese Zeit möchten wir nutzen, um einen solchen Austausch für „die kleine praktische“ Arbeit im betrieblichen Alltag auch in kleineren, regionalen Runden zu organisieren. Wer gemeinsam mit uns bei sich vor Ort oder in der Region Workshops auf der Basis der Geheimnisse einer erfolgreichen Organizerin durchführen möchte, erreicht uns unter info(at)okg-mail.de

Um diese Arbeit zu finanzieren, sind wir aber auch auf Spenden angewiesen. Wer uns unterstützen möchte, kann das durch eine einmalige oder eine dauerhafte Spende tun:

Gegenmacht organisieren e.V., IBAN: DE33 5205 0353 0001 1642 20, BIC: HELADEF1KAS

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