Post: NEIN zum neuen Angebot! – JA zu einer starken ver.di!

Bis 30. März 2023 findet in der Tarifauseinandersetzung bei der Post eine erneute Urabstimmung statt. Wir veröffentlichen den Aufruf einiger Vertrauensleute aus verschiedenen Niederlassungen, die für ein Nein bei der Abstimmung plädieren

Aufruf: NEIN zum neuen Angebot! – JA zu einer starken ver.di!

Es ist nur wenige Tage her, dass wir mit überwältigenden 85,9 Prozent für einen unbefristeten Streik gestimmt haben, um unsere notwendige, gerechte und machbare Forderung von 15 Prozent durchzusetzen. Wir hatten endlich wieder ein klares Gefühl der Stärke, waren stolz auf uns und unsere Gewerkschaft und konnten dem Arbeitgeber offensiv die Stirn bieten, um unsere gemeinsamen Interessen durchzusetzen.

Der Konzern hat nun überraschend ein „neues“ Angebot vorgelegt; die Konzerntarifkommission hat sich dazu entschieden, die Annahme dieses Angebots zu empfehlen und hat eine erneute Urabstimmung eingeleitet. Nun sind alle Mitglieder erneut gefragt: Wollen sie das Angebot der Deutschen Post annehmen oder wollen sie in einen Arbeitskampf für mehr eintreten? Diese Entscheidung sollten wir uns nicht leicht machen. Wir gehen davon aus, dass die Konzerntarifkommission sich die Entscheidung für ihre Empfehlung ebenfalls nicht leicht gemacht hat.

Nach gründlicher Überlegung haben wir uns als Kolleg*innen und Vertrauensleute dazu entschieden, für ein „Nein“ zum Angebot und für ein „Ja“ zum Arbeitskampf einzutreten. Im Folgenden wollen wir euch begründen, wie wir zu dieser Position kommen und hängen auch ein Fragen und Antworten-Papier an, in dem wir einige aktuelle Fragen aufgreifen.

Es stimmt: Das vorgelegte Angebot ist besser als das erste – und das haben wir unserem gemeinsamen Erfolg in der Urabstimmung zu verdanken. Es enthält 1.260 Euro mehr und das Geld kommt schneller bei den Kolleg*innen an. Wir verstehen, dass viele auf dieses Geld angewiesen sind und nicht mehr lange warten können. Gleichzeitig aber unterscheidet es sich insbesondere bzgl. tabellenwirksamer Leistung nicht wesentlich vom ersten Angebot und bedeutet Reallohnverluste für die Beschäftigten. Viele Kolleg*innen sind wütend und enttäuscht, dass innerhalb von einem Tag alle unsere „roten Linien“ aufgegeben worden sind und man sich in die Argumentation des Konzerns einreiht. Wir haben das Jahr 2023 als „Nullrunde“ kritisiert, jetzt wird es von der Tarifkommission verteidigt. Wir haben die „Maximalforderung“ des Unternehmens als Bluff demaskiert, jetzt ist es kein Bluff mehr. Wir haben 24 Monate Laufzeitlänge kritisiert, jetzt sind 24 Monate machbar. Wir haben Einmalzahlungen als „Einkommenssteigerung“ zurückgewiesen, jetzt wird damit nachdrücklich für die Annahme des Angebots geworben. Wir wollten mindestens einen Inflationsausgleich, jetzt werden Reallohnverluste in Kauf genommen. Wir waren uns einig mit einem unbefristeten Streik ein besseres Angebot durchzusetzen, jetzt sei so ein Streik aussichtslos und ein „mehr“ werde es nicht geben. Das Motto unserer Tarifbewegung: „15 Prozent - notwendig, gerecht, machbar“ hat ohne nachvollziehbar kommunizierte Gründe über Nacht an Wert verloren. Der Konzern ist noch immer nicht bereit, aktuelle und vergangene Reallohnverluste auszugleichen und uns angemessen am Rekordgewinn des Unternehmens zu beteiligen. Nun wird überall schon von einem fertigen Abschluss gesprochen, ohne das entscheidende Votum der Mitglieder abzuwarten.

Wir sind bisher so weit gekommen: Die Warnstreiks waren mehr als beeindruckend. Tausende Kolleg*innen haben sich neu organisiert. Wir haben 85,9 Prozent in der Urabstimmung erreicht mit einer herausragenden Beteiligung trotz hartem Kampf des Arbeitgebers. Als Vertrauensleute und Gewerkschafter*innen haben wir allesamt wochenlang hart gearbeitet und uns auf den unbefristeten Streik vorbereitet. Wir waren kurz davor, mit den Kolleg*innen aus dem öffentlichen Dienst und der Deutschen Bahn auf die Straße zu gehen und unsere volle Stärke zu zeigen. Die Öffentlichkeit steht mehrheitlich hinter uns. Die Streikkassen sind voll. Nun hat ein express-Brief der Arbeitgeberseite dazu geführt, dieses Potential für einen unbefriedigenden Kompromiss verpuffen zu lassen. Für alle Kolleg*innen im öffentlichen Dienst, die sich aktuell in der größten Streikwelle seit Jahrzehnten befinden, ist das ein eher ernüchterndes Signal. Vor wenigen Tagen erst haben sie uns hoffnungsvoll zur erfolgreichen Urabstimmung gratuliert. Wir laufen gerade Gefahr, weite Teile unserer Kolleg*innen in den Niederlassungen zu verlieren. Viele Ehrenamtliche haben auf die Bedeutung, Chancen und Gefahren dieser Tarifrunde hingewiesen, diese Befürchtungen bestätigen sich jetzt zum Teil. Die ersten Austritte sind angekündigt, die ersten Kündigungen ebenfalls. Dieses Angebotsergebnis verstärkt Unmut und Resignation über die immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen in den Betrieben, statt sie zu lindern. Als ver.di-Vertrauensleute kämpfen wir um jede Kollegin und jeden Kollegen. Allen Kolleg*innen sollte klar sein, dass jeder Austritt jetzt nur den Arbeitgebern hilft. Wir sind jetzt stärker geworden. Und wir haben die Chance bei der nächsten Tarifbewegung noch stärker zu werden. Wir haben jetzt viel gelernt und Lust, unsere Gewerkschaft stärker, durchsetzungsfähiger und kämpferischer aufzubauen, egal wie die kommende Urabstimmung ausgeht. Zum jetzigen Zeitpunkt sagen wir aber:

Als Vertrauensleute und überzeugte Ver.dianer*innen sprechen wir uns dafür aus, das neu vorgelegte Angebot entgegen der Empfehlung der Verhandlungs- und Tarifkommission abzulehnen unter der Bedingung, mit voller Ernsthaftigkeit und Bereitschaft für ein besseres Angebot zu kämpfen.

Um den Arbeitskampf weiterzuführen, bedarf es einer Ablehnung von 75 Prozent. Diese Hürde ist sehr hoch. Allerdings ist auch klar, dass die Fortführung eines Arbeitskampfes auch einer hohen Beteiligung bedarf, um erfolgreich zu sein. Egal, wie die Entscheidung am Ende ausfällt: Wir brauchen jetzt den Zusammenhalt und die Geschlossenheit aller ver.di-Mitglieder und dürfen uns nicht vom Angebot des Konzerns auseinandertreiben lassen. Wir wünschen uns eine ernsthafte und faire Diskussion, in der auch die Position, das Angebot abzulehnen und den Arbeitskampf fortzuführen, ernsthaft und angemessen zu Wort kommt. Wir gehen gerne mit euch in die Diskussion über unsere Argumente, vor Ort, wenn es geht, oder in gemeinsamen Online-Treffen mit euren Vertrauensleuten und Mitgliedern.

Liebe Kolleg*innen,

Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass große Veränderungen auch mit intensiven demokratischen Diskussionen einhergehen.

Die Kolleg*innen in den Seehäfen hatten letztes Jahr sehr intensive und kontroverse Diskussionen unter den Mitgliedern und in der Tarifkommission bevor sie am Ende einen Inflationsausgleich erstritten haben. Als 1956 die IG Metall für die Lohnfortzahlung streikte lehnten die Kolleg*innen zwei mal in Urabstimmungen Zwischenergebnisse ab – einmal mit 76,2 Prozent sogar gegen die Empfehlung der Tarifkommission und des IG Metall Vorstandes. Am Ende siegten sie dann und erkämpften (für uns alle) die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Also, Kolleg*innen, lasst uns mutig sein.

Wir brauchen eine Gewerkschaft, die sich der Stärke ihrer Mitglieder bewusst ist, die offen ist, ehrlich kommuniziert und demokratische Mitbestimmung und Partizipation in allen wichtigen Punkten lebt. Wir brauchen eine ver.di, die keine Angst vor dem Konflikt hat und bereit ist zu tun, was sie sagt. Das müssen wir gemeinsam aufbauen. WIR sind ver.di.

Vernetzung einiger Vertrauensleute & aktiver ver.di-Kolleg*innen der Niederlassungen:

NL Hannover NL Oldenburg NL Bremen NL Kiel NL Kassel NL Magdeburg

Hier könnt ihr uns erreichen: vl-vernetzung-post(at)gmx.de

Antworten auf einige aktuelle Fragen zum neuen Angebot der Deutschen Post:

Ist das neue Angebot besser?

Im Jahr 2023 gibt es 600 Euro (Vollzeitkräfte) Inflationsausgleichssonderzahlung netto mehr, allerdings bleibt das Gesamtvolumen dieser Zahlung über die 24 Monate Laufzeit gleich. Die tabellenwirksame Lohnerhöhung von 340 Euro wird „bereits“ im April 2024 gezahlt. Für uns ist das dennoch weit entfernt von unserer Forderung von 15 Prozent mehr Lohn bei 12 Monaten Laufzeit.

Warum sollte ich zu 1.020 Euro Inflationsausgleichssonderzahlung nein sagen?

Die Inflationsausgleichssonderzahlung ist keine Lohnerhöhung, sondern eine Einmalzahlung ohne tabellenwirksame Erhöhung. Das heißt, es gibt im Jahr 2023 keine „echte“ Lohnerhöhung. Es gibt zwar schnell Geld in die Tasche, allerdings ohne Nachhaltigkeit. Wir sind angetreten für 15 Prozent mehr Lohn, damit Reallöhne und Kaufkraft gesichert werden können.

Was ist eigentlich diese Inflationsausgleichssonderzahlung?

Mit der Inflationsausgleichssonderzahlung hat die Bundesregierung einen Rahmen geschaffen, um den Preissteigerungen entgegenzuwirken. Sie ist Teil des dritten Entlastungspakets vom 3. September 2022. Konkret heißt es auf der Webseite der Bundesregierung. „Der Bund ist bereit, bei zusätzlichen Zahlungen der Unternehmen an ihre Beschäftigten einen Betrag von bis zu 3.000 Euro von der Steuer und den Sozialversicherungsabgaben zu befreien“. (Punkt 10 des Beschlusses)

Sind Nettobeträge nicht besser?

Die Nettozahlungen sind keine Lohnerhöhungen, zählen nicht für die Rente und wirken sich auch nicht auf das 13. Monatsgrundentgelt (Weihnachtsgeld) aus. Die DPAG spart hierdurch 15 Monate Lohnnebenkosten – ein klarer Vorteil für den Konzern.

Wie profitieren Teilzeitkräfte von dem Angebot?

Teilzeitkräfte erhalten die Inflationsausgleichssonderzahlung anteilig ihrer Wochenarbeitszeit. Das ist nicht nachvollziehbar, schließlich steigen ihre Kosten genau so rasant.

Können wir denn mit einem Streik mehr herausholen als jetzt von der DPAG angeboten wird?

Das neue Angebot der Arbeitgeberseite hat unsere Durchsetzungsfähigkeit geschwächt. Trotzdem sind wir der Meinung, dass wir mehr rausholen können! Unsere Forderung von 15 Prozent mehr Lohn wird von einer breiten Masse der Mitglieder getragen. Am 09.03. wurde noch voller Stolz das Ergebnis der Urabstimmung bekannt gegeben. 85,9 Prozent der befragten ver.di-Mitglieder haben für einen unbefristeten Streik gestimmt. Das ist großartig und zeigt die Entschlossenheit der Mitglieder. Sollten sich erneut mehr als 75 Prozent der Kolleg*innen mit voller Bereitschaft für einen Streik aussprechen, haben wir die reale Chance, einen Erzwingungsstreik zu gewinnen und ein besseres Angebot zu erreichen. Dazu gehört aber auch, dass wir hochkonzentriert und gemeinsam über unsere Streikstrategie sprechen müssen.

Ist das Angebot für Azubis ein Erfolg?

Für Azubis ist das Angebot richtig gut. Azubis profitieren am meisten, da das Angebot 1:1 übernommen wird.

Was ist mit den Beamt*innen?

Für die Beamt*innen wurde in diesem Angebot nur die Fortführung der Postzulage geregelt. Ansonsten gehören die Beamt*innen zum öffentlichen Dienst (öD) und müssen hoffen, dass dort ein guter Abschluss erzielt wird. Nur wenn wir das Angebot ablehnen, können wir solidarisch mit dem öD auf die Straße gehen und gemeinsam Stärke demonstrieren, um unsere Beamt*innen zu unterstützen. Wir haben so viel Stärke aufgebaut und so viele Kolleg*innen sind beigetreten.

Wieso streiken wir denn jetzt nicht?

Ein Streik ist immer noch möglich! Stehe weiter für unsere Forderung von 15 Prozent auf 12 Monate Laufzeit und lehne das Angebot der DPAG ab.

Ich bin sehr unzufrieden mit dem Angebot und überlege aus der Gewerkschaft auszutreten.

Aus ver.di auszutreten hilft nur dem Arbeitgeber. Unsere Wut sollte sich nicht auf unsere Gewerkschaft richten, sondern auf ihn. Er ist der einzige, der vom aktuellen Unmut in den Betrieben profitiert. Je weniger Beschäftigte organisiert sind, umso einfacher hat er es. Deshalb müssen wir uns in ver.di organisieren. Nur eine Gewerkschaft mit vielen Mitgliedern kann durchsetzungsfähig sein.

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