Unser Gewerkschaftsverständnis
Die Gewerkschaft als Bewegung aufbauen!
Gewerkschaften sind im einfachsten Sinne ein Zusammenschluss von Lohnabhängigen, mit dessen Hilfe wir versuchen, unsere Interessen – an höheren Löhnen und besseren Arbeitszeiten und -bedingungen – zu verteidigen und durchzusetzen. Als Gegner:innen treten uns dabei sogenannte Arbeitgeber:innen gegenüber.
In erster Linie sind das an Profitsteigerung interessierte Kapitalist:innen, in vielen Gesellschaften aber auch scheinbar nicht gewinnorientierte Instanzen, etwa im öffentlichen Dienst.
Dabei kann man unterscheiden zwischen der „Gewerkschaft als Institution“ und der „Gewerkschaft als Bewegung“. In der Wirklichkeit lässt sich das nicht immer scharf trennen. Die „Gewerkschaft als Institution“ sind die hauptamtlich beschäftigten Gewerkschaftssekretär:innen und die mit diesem Funktionärskörper verbundene Bürokratie – beides sind auch Errungenschaften unserer Bewegung. Die „Gewerkschaft als Bewegung“ sind die Millionen einfachen Mitglieder, die ehrenamtlichen Aktivist:innen, auf deren alltäglichem Einsatz die eigentliche Macht der Gewerkschaft beruht. Diese Bewegung wollen wir stärken.
Das Ziel des Gewerkschaftssekretärs: Die Bewegung stärken!
Unsere Gesellschaft beruht auf Arbeitsteilung. Die Mehrheit der Lohnabhängigen bringt den größten Teil der eigenen Zeit für die Erwerbs- und Familienarbeit auf. Sich aktiv für die eigenen Interessen einzusetzen ist ein Kraftakt. Je stärker die Gewerkschaftsarbeit wird, desto mehr Leute bringen sich nicht nur ein, es entstehen auch viele Aufgaben, die von Ehrenamtlichen allein kaum bewältigt werden können. In einer kapitalistischen Gesellschaft ist es deshalb eine Errungenschaft für die Gewerkschaftsbewegung, wenn es gelingt Menschen dafür zu bezahlen, dass sie ihre gesamte Arbeitzeit (oder einen Teil davon) in den Dienst der Bewegung stellen können.
Notwendige Arbeiten, die zum Teil auch Spezialwissen voraussetzt, das nicht jede und jeder Ehrenamtliche hat, muss erledigt werden – und es ist eine Erleichterung, wenn dies von Hauptamtlichen erledigt wird. Aber diese Arbeit kann auf ganz unterschiedliche Weisen erledigt werden. Sie kann beispielsweise so getan werden, dass eine „Kultur der Stellvertretung“ entsteht. Dann versuchen hauptamtliche Gewerkschaftsfunktionäre Probleme für die Betroffenen zu lösen, an ihrer Stelle zu handeln. Manchmal erwarten KollegInnen das sogar.
Was auch immer das jeweilige Motiv ist: Auf die Dauer fördert das eher die Passivität und Teilnahmlosigkeit der Kolleg:innen. Wir setzen uns demgegenüber dafür ein, dass haupt- und ehrenamtliche Gewerkschaftsfunktionäre ihre Arbeitsweise darauf ausrichten die Selbsttätigkeit der gewerkschaftlich organisierten und unorganisierten KollegI:innen zu stärken. Hauptamtliche sollten die „Gewerkschaft als Bewegung“ fördern, weil in den Betrieben und überbetrieblich nur so eine starke und solidarische Gegenmacht entstehen kann.
Für Gegenmacht von unten: Kompromisse ja, Sozialpartnerschaft nein!
Eine solche Gegenmacht muss Kompromisse mit den Kapitalist:innen machen. Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge sind Beispiele dafür. Ob sie eher zu unseren Gunsten oder zu Gunsten der Unternehmer:innen ausfallen, ist abhängig von unserer Macht. Diese Macht ist aber nichts anderes als das Ausmaß, in dem wir gemeinsam mit unsere Kolleg:innen dazu bereit sind, für unsere Interessen aktiv zu werden. Je weniger dazu bereit sind sich im Betrieb und in den Gewerkschaften zu engagieren, Kolleg:innen zu organisieren und zu unterstützen, desto schwächer sind wir und desto größer ist die Macht der Gegenseite.
Ein Kompromiss ist aber etwas anderes als ein Bündnis. Die Zusammenarbeit mit Kapitalist:innen lehnen wir ab, weil sie letztlich unsere Durchsetzungsfähigkeit schwächt. Betriebliche Vereinbarungen etwa, die die Wettbewerbsfähigkeit des einzelnen Unternehmens stärkt (sog. betriebliche Wettbewerbsbündnisse) verschärfen in der Regel nicht nur die Konkurrenz mit Kolleg:innen, die in anderen Betrieben arbeiten. Sie bedeuten zugleich: Flexibilisierung, Arbeitsverdichtung, Lohnverzicht und/oder längere Arbeitszeiten zu akzeptieren.
Klassenweite Solidarität
Die Spaltung der Gewerkschaftsbewegung stärkt die Macht der Unternehmer:innen. Die "Einheit der Gewerkschaftsbewegung" ist deshalb für viele ein hohes Gut. Aber betriebliche und überbetriebliche Wettbewerbsbündnisse befeuern interessenpolitische Spaltungen. Und auch der organisationsegoistisch verfolgte Wettbewerb um mehr Mitglieder oder tarifpolitischen Einfluss, der zu harten Auseinandersetzungen zwischen unseren Gewerkschaften führen kann, schwächt unsere Durchsetzungsfähigkeit. Wir halten diese Entwicklung für grundlegend falsch. Sie ist aber auch nicht zufällig. Demgegenüber treten wir für Gewerkschaftspolitik ein, die an Klassensolidarität ausgerichtet ist - und nicht an egoistischen Organisationsinteressen.